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Das Ende der Geschichte

Der ungarische Dichter Dániel Berzsenyi und die Krise des Hungarus-Bewusstseins

Gábor Vaderna


Seiten 117 - 133

DOI https://doi.org/10.33675/SGER/2022/2/10


open-access

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Das Ungarische Königreich war im 18. Jahrhundert ein multikultureller Vielvölkerstaat. Nicht nur verschiedene soziale Schichten lebten nebeneinander, auch die Gesellschaft war konfessionell und ethnisch gegliedert. Die Fachliteratur beschäftigt sich seit langem mit dem sog. ‚Hungarus-Bewusstsein‘, das die nationale Identität der Bewohner weitgehend prägte. Zum Ende des 18. Jahrhunderts geriet das bis dahin stabile politische System in die Krise. Der Bedarf an einer einheitlichen Amtssprache stieg, aber es gab keinen Konsens darüber, welche Sprache diese Rolle einnehmen sollte. Die Koalitionskriege gegen Frankreich haben diese Krise sichtbar gemacht. Die militärischen Leistungen der Hungarus-Helden wurden in immer weiteren Kreisen gepriesen, während die militärische Kraft des ungarischen Adels immer mehr sank, die Banderien des Adels waren immer weniger zeitgemäß. Dieser Aufsatz analysiert die Gedichte eines ungarischen Kleinadeligen aus Westungarn. Dániel Berzsenyi war einer der bedeutendsten ungarischen Dichter des späten 18./frühen 19. Jahrhunderts. In seinen ermunternden Gedichten reflektierte er über die Ereignisse der Koalitionskriege, zugleich nahm er die politische Krise seiner Epoche wahr. Der Zerfall des politischen Konsenses war dadurch sichtbar, dass die Bilder seiner Gedichte enigmatisch wurden, zugleich wurden verschiedene mythologische Geschichten miteinander vermischt. Doch diese poetische Verwirrung machte nicht nur die militärischen Ereignisse nachvollziehbar, sie kann auch als Antwort auf die Krise des Hungarus-Bewusstseins betrachtet werden. Die Analyse der Gedichte macht es möglich, die Geschichte von unten (‚history from below‘) zu betrachten. Dabei werden die Ängste eines ungarischen Adeligen sichtbar, dass sich die Geschichte, in der er lebt, ihrem Ende zuneigt.

The Kingdom of Hungary was a multi-ethnic and multicultural country in the eighteenth century. Not only did different social classes coexist, but society was divided into different denominations as well as ethnicities. The historical literature has long dealt with the issue of the so-called ‘Hungarus consciousness’, which defined the national identity of the inhabitants of this area. By the end of the eighteenth century, the stable political system based on the Hungarus consciousness was in crisis. There was a growing need for a common administrative language, but there was no consensus on which language to use. The coalition wars against France made this emerging crisis visible: there was an increasing need to reaffirm the military power of the Hungarian noble heroes, while it was declining, and became more and more outdated. This paper analyzes the poems of a nobleman in Western Hungary. Dániel Berzsenyi is one of the most important Hungarian poets of the late eighteenth and early nineteenth centuries. In his poems, he reflected on the events of the coalition wars. These were encouraging poems. At the same time, Berzsenyi perceived the political crisis of his era. He described the disintegration of the previous political consensus by enigmatic images in his poems, the confusion of various mythological stories. With the help of the analysis of the poems, it is possible to look at the history from below. The fear of a Hungarian nobleman that the history in which he lived was coming to an end can be visible.

Keywords: Nation/nation, Geschichte von unten/History from below, Hungarus-Bewusstsein/ Hungarus consciousness, Koalitionskriege/coalition wars, Poesie/poetry

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